Donnerstag, 15.12.2022, 18:00 - 19:30
Die Sowjetunion hatte im Laufe ihrer Geschichte kaum erkennen lassen, wie sich ihre Teilrepubliken und nunmehr souveränen Staaten Weißrussland/Belarus und Ukraine voneinander unterschieden haben, die UdSSR hat sie eigentlich stets als unauflösliche und feste Bestandteile des zaristischen Russlands bzw. der Sowjetunion betrachtet. Auch die westliche Einschätzung dieser Regionen ist stets dem russischen Narrativ von der festen Zugehörigkeit dieser beiden Länder zu Russland gefolgt und hat sie allenfalls als westliche Varianten Russlands behandelt. Nach dem Ende der Kiewer Rus im 13. Jhd. waren die Ostslawen aber Jahrhunderte lang in Sprache, Kultur, gesellschaftlicher Entwicklung und Politik getrennte Wege gegangen und haben zum Teil völlig unterschiedliche Prägungen und Einflüsse erfahren. Mit dem Erstarken der russischen Zentralgewalt ab dem 17. Jahrhundert und insbesondere zur Zeit der Sowjetunion wurden Weißrussland und die Ukraine konstituierende Teile des Russischen Reiches und schließlich der UdSSR. Ihre Entstehungsgeschichte in der Kiewer Rus und ihre Geschichte des 19/20. Jahrhunderts, aber auch ihr gemeinsamer orthodoxer Glaube verbindet sie zwar weitgehend. Es trennen sie aber die unterschiedlichen Prägungen, Einflüsse und gesellschaftlichen Entwicklungen, die den größeren Teil ihrer Geschichte ausmachen. Seit der Erlangung ihrer Unabhängigkeit 1992 und vor allem nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben die eigenen Sprachen. Weißrussisch und Ukrainisch, bei der Ausformung des Nationalgedankens erheblich an Bedeutung gewonnen.
Vortrag von Dr. Gregor Berghorn